Herzversagen in der Synagoge

Nachrichten, die in deutschen Medien nicht erschienen – Teil 5

In den Jahren 2007 und 2009 ging der tragische Fall von Amitai Moshe durch die britische Presse. Amitai Moshe war 8 Tage alt, als er am 01. Februar 2007 in der Golders Green United-Synagogue in London nach traditionellem jüdischem Ritus beschnitten wurde und danach an einem Herzstillstand und Sauerstoffunterversorgung des Gehirns starb.

Zunächst war die Beschneidung ohne Probleme verlaufen, doch kurz nach der Zeremonie, als Amitais Mutter den Jungen stillen wollte, fiel ihr auf, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie schilderte, was für sie ein Alptraum gewesen sein muss: „Es schien ihm unbehaglich zu sein und er bewegte sich. Er weinte und ich hörte auf. Dann entspannte er sich und trank normal. Er hörte auf und ich dachte, er sei eingeschlafen. Dann sah ich Blut auf meinem Hemd. Ich dachte zuerst, dass es meines wäre, doch dann sah ich Blut an seiner Nase. Er war gelb im Gesicht.“

Der Mohel und zwei Ärzte, die unter den Gästen waren, versuchten, den aus Mund und Nase blutenden und blau werdenden Säugling wiederzubeleben. Dann wurde Amitai zunächst in ein Krankenhaus in der Nähe und später in eine Universitätsklinik gebracht, doch die Ärzte konnten nichts mehr für ihn tun: Eine Woche später, am 09. Februar 2007, wurde er für tot erklärt.

Ein Sprecher der britischen Juden äußerte gegenüber der Presse unmittelbar nach Amitais Tod, dass es „keine kausale Verbindung“ zwischen der Beschneidung und der Erkrankung des Babys gebe. Es sei nur ein tragisches Zusammentreffen zweier Ereignisse gewesen. Die Beschneidung sei durch den von der Initiation Society ausgebildeten und lizensierten Mohel Rabbi Moshe Perry sicher und streng nach den vorgeschriebenen Regeln durchgeführt worden.

Seitens Scotland Yard wurde dennoch eine gerichtsmedizinische Untersuchung des Falles eingeleitet. Die abschließende Anhörung fand im September 2009 statt. Nach mehreren Verhandlungstagen kam der Gerichtsmediziner Andrew Walker zu dem Ergebnis, dass die Beschneidung nichts mit dem Tod des Jungen zu tun hatte: „Ich bin zufrieden, sagen zu können, dass der Tod das Ergebnis eines natürlich auftretenden Krankheitsprozesses war, der einfach seinen Verlauf nahm.“ Dass die Beschneidung ursächlich für Amitais tragischen Tod gewesen sein könnte, schloss er kategorisch aus.

Professor Fleming, ein weltweit geachteter Experte, habe überzeugend dargelegt, dass der Tod ein bizarres Vorkommnis aufgrund des plötzlichen Kindstodes war, vollkommen ohne Zusammenhang zur Beschneidung. Fleming gab zu Protokoll, dass er sich keinen Mechanismus im Zusammenhang mit der Beschneidung vorstellen könne, der verantwortlich sein könnte. Es sei zwar möglich, dass ein schmerzhafter Eingriff einen Kollaps verursacht, die Symptome träten dann jedoch sofort auf und nicht mit zeitlicher Verzögerung.

Das Ergebnis der gerichtsmedizinischen Untersuchung entspricht genau der Erklärung, die der jüdische Sprecher kurz nach Amitais Tod abgegeben hatte. Dennoch bleiben viele Fragen offen: Der „plötzliche Kindstod“ ist eine pauschale Bezeichnung für den unerklärlichen Tod eines kleinen Kindes. Wenn die Todesursache ungeklärt bleiben musste, wie konnte die Gerichtsmedizin die Beschneidung als Auslöser sicher ausschließen? Ungeklärt blieb zudem im Verfahren, ob die dokumentierten körperlichen Stressreaktionen bei betäubungslosen Säuglingsbeschneidungen, wie erhöhte Herzfrequenz und erhöhter Cortisolspiegel, bei einem empfindlichen, vielleicht durch einen noch unerkannten Herzfehler vorbelasteten Neugeborenen fatale Folgen haben können. Auch eventuell verwendete Schmerzmittel wurden nicht angesprochen. Können EMLA, Schmerzzäpfchen, Schmerztropfen oder Alkohol bei Vorerkrankung, Überreaktion, Überdosis oder im fatalen Zusammenwirken zu einem Herzstillstand führen?

Auffällig ist auch, dass sich der Zeitraum zwischen der Beschneidung und Amitais Symptomen von 15 Minuten in den frühen Artikeln auf mehr als 35 Minuten in der gerichtsmedizinischen Anhörung erhöhte – trifft Flemings Einschätzung, dass zu viel Zeit verstrichen sei, auch für den kürzeren Zeitraum zu?

Beobachter der gerichtsmedizinischen Verhandlung berichteten, dass das Gutachten eines Pathologen, der den Herzstillstand mit der Beschneidung in Zusammenhang brachte, auf Betreiben der Initiation Society als Beweismittel für unzulässig erklärt wurde. Insgesamt sei keiner der Beteiligten an einer wahrheitsgemäßen Aufklärung von Amitais Tod interessiert gewesen.

Die britische Gerichtsbarkeit hat die Beschneidung von Amitais Tod zwar offiziell reingewaschen, doch dass der kleine Junge auch dann an seinem achten Lebenstag einen Herzstillstand erlitten hätte, wenn er nicht kurz zuvor beschnitten worden wäre, das kann man nur glauben – oder auch nicht.